Msgr. Franz Wilfinger und Susanne Kopeszki

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Rundbrief 4/2013 Nachtgedanken

Die Nächte werden länger, nach der Umstellung auf die Winterzeit wird es noch schneller finster. Wenn ich aufstehe, ist es noch dunkel und am Abend wird es sehr früh wieder finster. In der Stadt beeinträchtigt das mein Leben kaum. Die Straßenbeleuchtung und die Zimmerbeleuchtung lassen alle meine Tätigkeiten auch am Abend oder in der Nacht zu.

Ganz anders ist das wenn ich einige Tage im Burgenland verbringe. Im Sommer freue ich mich, wenn es finster wird, weil ich dann die Gartenarbeit beenden kann. Aber es kann dann schon sein, dass ich mich in der Nacht nochmals hinaus begebe um den Sternenhimmel oder den Mond zu betrachten (was in Wien eigentlich nie möglich ist).
Im vergangenen Winter war dort die Straßenbeleuchtung ausgefallen. Als ich noch bei Tageslicht einen Besuch machte, dachte ich nicht daran. Ohne Taschenlampe musste ich mich auf den Heimweg machen. Obwohl sich die Augen nach einer gewissen Zeit an die Dunkelheit angepasst hatten, musste ich sehr auf den Weg achten. Auch hatte ich vergessen die Beleuchtung beim Haus einzuschalten, also musste ich auch ohne Licht aufsperren. Ich war sehr froh, endlich zu Hause zu sein. Es wäre mir sehr schwer gefallen, nochmals wegzugehen - in Wien habe ich auch im Winter kein Problem damit noch um 21 Uhr schwimmen zu gehen.
Ganz anders erlebte ich im Burgenland die Dunkelheit auf dem Weg zur Rorate. Da waren immer wieder einige Leute mit Laternen unterwegs und auch in der Kirche war nur der Altar beleuchtet. Die Gläubigen konnten die Lieder auswendig (nicht nur die 1. Strophe). Hier war die Dunkelheit fast heimelig.
Der Wechsel von Tag und Nacht, von Licht und Dunkel gehört zum Leben. Wir können es uns gar nicht anders vorstellen. Manchmal denke ich, dass wir nur verlernt haben, mit dieser Gegebenheit zu leben und nicht dagegen.
  Das Wort Nacht oder Dunkelheit löst in mir ganz verschiedene Empfindungen und Erinnerungen aus. Als Kind war es mir sehr unheimlich durch das dunkle Vorzimmer zu gehen (noch dazu wenn es im Ofen knisterte). Auch in den Keller bin ich nur widerwillig gegangen, weil ich Angst hatte, es könnte mich dort jemand erschrecken. Andererseits liebte ich es, mich unter die Decke zu verkriechen. Dort fühlte ich mich geborgen. Auch die Geschichten, die uns unsere Oma erzählte, waren in der Dunkelheit viel spannender.
  Vor einer Augenoperation war es für mich nicht leicht, Schlaf zu finden, weil die Gedanken immer um mögliche Probleme und Komplikationen kreisten. Auch wenn liebe Menschen schwer erkrankt waren, wurden Angst und Sorge in der Nacht stärker, weil die Ablenkung durch Tätigkeit und Arbeit fehlte.
  Zu den schönen Nachterlebnissen aber gehört ein Sonnwendfeuer, wo die Gespräche intensiver wurden, weil von außen keine Ablenkung da war. (Vielleicht machte die Nacht auch das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus so tief.) Dann erinnere ich mich gerne an die Lichterprozessionen in Lourdes und Mariazell oder auch an unsere Auferstehungsprozession mit der Osterkerze. Auch eine Nachtwanderung von Wildegg nach Heiligenkreuz und eine Nachtanbetung gehören zu diesen schönen Erinnerungen.
  In diese Zeit der Dunkelheit fallen die Feste Allerheiligen und Allerseelen. Viele sehen auch im Tod die endgültige Nacht. Aber als Zeichen unserer Hoffnung an die Auferstehung, zünden wir auf den Gräbern Kerzen an. Wir glauben daran, dass Jesus uns durch die Nacht des Todes vorausgegangen ist in das ewige Licht. Das erhoffen und erbeten wir auch für unsere Verstorbenen.
  Auch Weihnachten fällt bei uns in die Zeit des kürzesten Tags und der längsten Nacht, der Wintersonnenwende. Die Menschen früherer Zeiten erwarteten sehnsüchtig, die wieder länger werdenden Tage. Unter Kaiser Aurelian wurde der 25. Dezember zum staatlichen Festtag der Geburt des Sonnengottes (damals war das der kürzeste Tag). Mitte des 4. Jahrhunderts wurde dann das Fest der Geburt Christi auch auf diesen Tag verlegt, weil für die Christen Jesus die wahre Sonne ist. (vgl. Mal 3,20)
  Ganz spontan sind mir aber auch Lieder eingefallen, die etwas mit Nacht zu tun haben. Das wohl bekannteste Weihnachtslied - "Stille Nacht, heilige Nacht", dann "inmitten der Nacht, als Hirten erwacht" (ein Volkslied) und "weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein" und noch viele andere.
  Auch in vielen Gebeten und Hymnen geht es um den Gegensatz zwischen Tag und Nacht, Licht und Finsternis als Bild für Tod und Leben. Es würde zu weit führen, sie hier alle anzuführen. Mit Gott werden immer das Leben und das Licht in Verbindung gebracht. Von ihm kommt ja dies alles. In der Laudes beten wir täglich im Benedictus: "Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens." (Lk 1,78f)
  Auch viele Bibelstellen sprechen davon. Wenn ich im Computer das Wort Nacht eingebe und in der Bibel suche, zeigt es mir an, dass dieses Wort 358 Mal vorkommt. Aber eine Stelle aus dem Thessalonicherbrief des Paulus möchte ich doch etwas näher betrachten. (1 Thess 5,1-6;9-11)
  1 Über Zeit und Stunde, Brüder, brauche ich euch nicht zu schreiben. 2 Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. 3 Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen. 4 Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, sodass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann. 5 Ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. 6 Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein. 9 Denn Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, das Heil erlangen. 10 Er ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen. 11 Darum tröstet und ermahnt einander und einer richte den andern auf, wie ihr es schon tut.
  Zu diesem Text findet sich in der Monatszeitschrift "Magnificat" vom September 2013 auf Seite 36 folgender Kommentar:
  "Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis." Manchmal ist das schwer zu glauben. Manchmal, beim Lesen der Tageszeitung und während der Nachrichtensendung. Manchmal, mitten am Tag, wenn ich mich abgewertet und innerlich vernichtet fühle. Manchmal ist das schwer zu glauben. Wenn ich an der Sorge um den anderen schwer trage, wenn ich es nicht mehr ertrage, wenn mich der Schmerz des anderen schmerzt, wenn die fatale Frage in mir aufsteigt: Was mache ich hier? Dann fühle ich mich unzulänglich und schuldig, dann hasse ich mich selbst, dann möchte ich mich nur noch betäuben. Doch Paulus, dem solche Einbrüche wohl nicht fremd waren, stärkt uns gerade dann mit der Gewissheit: Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. Darum können wir wach und nüchtern sein. Aber eben darum müssen wir auch nicht zwanghaft wach bleiben. Vielmehr sind wir zum Loslassen befreit, denn wir leben vereint mit Christus, "ob wir nun wachen oder schlafen". Legen wir unsere Sorge in seine Hände, lassen wir getrost los. Und wachen wir gestärkt wieder auf. Denn "wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis."
  Ist das nicht eine gute Anregung - nicht nur für die Adventzeit?
  Susanne Kopeszki (RB der BG/PHH der ED Wien 4/2013)