Msgr. Franz Wilfinger und Susanne Kopeszki

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Rundbrief 1/2019 kindisch - kindlich
„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, kommt ihr nicht ins Himmelreich“. Dieser Satz macht mich nachdenklich. Wieder wie ein Kind werden oder ein Kind bleiben – passt das zu einem erwachsenen, reifen Menschen. Immer wieder erlebe ich Leute, die sich richtig kindisch verhalten. Von anderen sagt man „der/die hat ein kindliches Gemüt“. Oft werden diese beiden Begriffe als gleichwertig verwendet. Aber sind sie das?
Jede/r von uns war einmal ein Kind, das Kind bestimmter Eltern, in eine Ursprungsfamilie hineingeboren, die sich keine/r aussuchen konnte, in einem Land, in einer Stadt oder einem Dorf, in einer Umgebung, auf die wir keinen Einfluss hatten, groß geworden. Mit ererbten Eigenschaften und Anlagen. Wir wurden auch in eine Religion hineingeboren und sind in ihr groß geworden. Alle diese Umstände und andere Personen haben/hatten einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie wir geworden sind und auch darauf, welche Entscheidungen wir im Lauf unseres Lebens, getroffen haben, wie unser Leben heute ist.
Auch als Erwachsene bleiben wir das Kind unserer Eltern, also in einer gewissen Abhängigkeit. Wie sehr das das Leben bestimmen kann, erlebe ich immer wieder. Kinder lieben (im Normalfall) ihre Eltern und wollen von ihnen geachtet und angenommen werden, so wie sie sind. Anfänglich entscheiden die Eltern für die Kindern, so wie sie es für gut halten. Zum Konflikt kommt es oft dann, wenn Kinder andere Wege gehen (wollen), sich für einen Beruf oder Partner einen entscheiden, der nicht den Wünschen der Eltern entspricht. Da wird dann oft Druck ausgeübt und Dankbarkeit eingefordert. In religiösen Familien kann das für alle Beteiligten noch schwerer zu ertragen sein.
Früher waren es die Eltern – meist die Väter, die in der Erziehung das Sagen hatten. Heute kann man das Umgekehrte erleben, dass die Kinder bestimmen. Wie in vielen Bereichen ist es auch in der Eltern-Kind-Beziehung schwer eine Ausgewogenheit zu erreichen, zwischen Vorschriften und freier Entscheidung. Denn sowohl Grenzen als auch Freiraum sind notwendig.
Für viele ist es daher gar nicht leicht Gott als „Vater“ anzureden. In der Bibel werden Gott aber auch mütterliche Eigenschaften zugesprochen. „Mit menschlichen Fesseln zog ich sie, mit Banden der Liebe. Ich war da für sie wie die, die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen“. (Hos,11,4).
Eine Hilfe ist und war es für mich, auch meine Eltern als Kinder ihrer Ursprungsfamilien zu sehen und zu verstehen, wie sie von ihnen geprägt wurden. Aber auch uns alle als Kinder Gottes zu sehen, die von Gott geliebt und angenommen werden, wie von guten Eltern, und die wachsen und sich zu reifen und verantwortungsvollen Menschen entwickeln sollen. Das heißt für mich dann im Verhalten nicht kindisch zu sein, sondern mir Offenheit und Vertrauen zu bewahren und die Welt und die Menschen um mich herum unvoreingenommen zu sehen. Mir auch im Erwachsensein ein Stück Kindsein zu erhalten.
  Susanne Kopeszki (RB der BG/PHH der ED Wien 1/2019)