Msgr. Franz Wilfinger und Susanne Kopeszki

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Msgr. Franz Wilfinger
März 2021
2001 – 2021 Den Menschen heute das Evangelium bringen
  Während meines Wirkens in der Pfarre Wieden-Paulaner wurde ich öfters gefragt: „Wären Sie nicht viel lieber Pfarrer auf dem Land?“ Die Verneinung der Frage löste meist Verblüffung aus, hatte aber weitere Fragen nach den Gründen dafür zur Folge. Meine Begründung hat sicher mit meiner Lebensgeschichte zu tun, aber vor allem mit den Chancen und Möglichkeiten, die sich für das pastorale Wirken in der Stadt bieten. Eine „kirchliche, gläubige“ Sicht der Stadt wurde beim Großstadtsymposion 2001 zum Thema: Den Menschen heute das Evangelium bringen gegeben.
Dabei hielt der damalige Erzbischof von Brüssel Godefried Kardinal Daneels die Festrede im Festsaal des Wiener Rathauses. Er stellte seine Ausführungen unter ein Wort aus dem Buch des Propheten Jeremia (29,7): Bemüht euch um das Wohl der Stadt.

Daraus einige Zitate:

< Städter leben zwischen der Anonymität und einem tiefen Wunsch nach Gemeinschaft.

< Die Stadt ist stark säkularisiert. Ohne sich gegen das Religiöse aufzulehnen, schlummert die Großstadt in einer religiösen Indifferenz. Die Religion ist hier hinter die Mauern der Kirchen verwiesen oder sie flüchtet in die Intimität des Haushaltes. Diese Privatisierung der Religion bedeutet aber keineswegs ihr Verschwinden.

< Ein anderes Phänomen der Großstadt ist die Individualisierung. Die Entscheidungen werden immer weniger kollektiv, immer mehr individuell getroffen. Die Stadt gleicht einem Kaufhaus oder einem Supermarkt, wo sich jeder an dem Ort, der ihm gefällt, mit den von ihm bevorzugten Produkten bedient. Sie bringt damit eine neue Art der Einsamkeit hervor.

< Von Tag zu Tag wird die Großstadt auch immer mehr ein Zentrum des Interreligiösen:
Alle Religionen kommen hier miteinander in Berührung, schaffen hunderte Inselchen und religiöse Zufluchtsstätten an jeder Ecke. Die Stadt ist das Traumbiotop jeder Sekte und bevorzugtes Jagdgebiet aller Gurus.

< Die Stadt gefällt sich selbst in der Anonymität. Aber ist es nicht gerade diese Anonymität, welche die Stadt für den heutigen Menschen lebenswert macht, der selbst eine gewisse Anonymität wünscht. Denn das Leben in der Stadt lässt so viele Auswahlmöglichkeiten zu, dass sie nur in Fragmenten erlebt werden kann.

< Der moderne Mensch scheint auf eine gewisse Anonymität nicht verzichten zu können. Der Stadtbewohner braucht eine gewisse Distanz, die es ihm erlaubt, mit vielen zusammen zu wohnen, ohne ständig dazu verpflichtet zu sein, in zahllose kurze Beziehungen einzutreten und in diese Energie zu investieren.

< Die Anonymität ist ohne Zweifel eine Voraussetzung der Freiheit für den Menschen von heute.

< Man könnte sagen, dass das Dorf die Exzentrizität toleriert, aber dass die Großstadt sie belohnt.

< Der Christ sollte nicht der Versuchung nachgeben, sich der Gruppe seiner Glaubensgenossen anzuschließen, die das Leben in der Stadt und die Stadt selbst beinahe ausschließlich negativ darstellen.

< Die erste Evangelisierung durch ihre Väter im Glauben erfolgte vor allem und zuerst durch eine Verkündigung in den Großstädten vor der städtischen Menge. Die christliche Religion war übrigens niemals eine bäuerliche Religion, eine Religion des Landes. Ist das Wort „paganus“ (Heide) nicht abgeleitet von der Wurzel „pagus“ (Dorf). Auf dem Lande lebten jene, die keine Christen waren; erst viel später wurde es evangelisiert.

< Der Christ müsste von Natur aus eine optimistische Sicht über die Stadt haben.

< In den Städten sind die christlichen Gemeinschaften gerufen, Grünflächen zu sein, die den Sauerstoff liefern, der die Flora der menschlichen und christlichen Werte am Leben erhält.

Nach den Worten des Erzbischofs von Brüssel bietet die Stadt durch Größe und Vielfalt neue Chancen für das (Über-)Leben des Christentums. Dabei wird viel von der Begeisterung der Christen selbst abhängen.

 

< Christenleben braucht Gemeinschaft – auch und gerade in der Pfarre neu

< Christliches Leben braucht actio und contemplatio (Tat und Gebet)

< Christliches Leben braucht Orte des Dialogs und des „Rückzugs“ – beides hilft, dass die Freiheit zu entscheiden beim Einzelnen gestärkt wird – damit auch die persönlicher Verantwortung

< Christliches Leben kann das gewohnte, zum Teil auch ziellose und ermüdende Einerlei des Alltags durchformen und den Mangel an Freude überwinden – durch ein Bejahen des Hier und Heute, des Jetzt, weil wir auf Vollendung und Erfüllung hoffen – ein einladendes Ziel, von Gott angeboten, vor uns haben.

Zitat aus geistlichen Schriftlesung:

Zitat aus der geistlichen Schriftlesung zum Brief an die Hebräer (von Franz Josef Schierse):

„Wir haben im Gottessohn, der Fleisch und Blut angenommen hat und uns in jeder Hinsicht gleich geworden ist, einen Hohenpriester erhalten, auf dessen Barmherzigkeit und Treue wir bauen können.
Er hat gelitten (wovor wir uns fürchten);
er ist versucht worden (und hat die Versuchung bestanden, was wir von uns nicht immer behaupten können);
er hat die Macht, uns zu helfen, wo niemand uns helfen kann – in der Einsamkeit der Sünde und des Sterbens.

Und noch eines dürfen wir nicht vergessen: Versuchung im biblischen Sinn droht nicht nur dann, wenn Verbotenes reizt, sondern auch – und dies ist oft noch schlimmer – wenn der Mensch von Müdigkeit und dem bedrückenden Gefühl völliger Leere befallen wird.“

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