Msgr. Franz Wilfinger und Susanne Kopeszki

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Rundbrief 1/2021 Gott schaut auf uns – auf mich
„Wenn Du mit mir redest, dann schau mich bitte an.“ „Beim Grüßen muss man den anderen anschauen“. An solche und ähnliche Sätze kann ich mich aus meiner Kindheit erinnern. Wenn jemand im Gespräch mit mir immer die Augen schließt, würde ich diesen Satz gerne weitersagen.
Jemanden, der aggressiv reagiert, kann man manches Mal dadurch beruhigen, dass man an ihm vorbei schaut. So haben wir es einmal in einem Kurs gelernt.
Angeschaut, wahrgenommen und beachtet zu werden, gehört zu den tiefsten menschlichen Sehnsüchten. In der Lehrerausbildung hat es geheißen, dass besonders schlimme, laute und unruhige Kinder, nur beachtet werden wollen.

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen wir nicht gesehen, nicht beachtet werden wollen. Wo es uns unangenehm ist angeschaut zu werden. Vielleicht weil wir etwas nicht oder falsch gemacht haben.

Zwischen diesen beiden Polen spielt sich unser Leben ab.

Wer in seinem Leben die Erfahrung macht, angeschaut, geachtet und geliebt zu werden, so wie sie/er ist, ohne jede Vorleistung, der kann ein gutes Selbstwertgefühl entwickeln.
Im Glauben gibt es ähnliche Sätze aus der Kindheit, die das Leben prägen und beeinflussen können. „Der liebe Gott sieht alles“, „es donnert, weil du nicht brav warst“, …
Welches Gottesbild prägte und beeinflusst mein Leben – auch heute noch? Empfinde ich den Satz „Gott schaut auf mich“ als wohltuend, weil ich mich geliebt und geschätzt fühle? Kann ich unter diesem wohlwollenden Blick mein Leben gestalten, jeden Tag meines Lebens so annehmen, wie er ist? Oder ängstigt mich dieses Angeschautwerden von Gott, weil ich nicht perfekt bin, weil ich Fehler mache, seinen Forderungen nie gerecht werden kann?
In diesem Zwiespalt steht auch der Beter des Psalms 139 in den ersten Versen. Diese kann man so oder so lesen.
Im Vers 6 klingt etwas vom Staunen über diesen großen Gott an. Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen.
Im Vers 14 kann der Beter dann sprechen: Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin.
In den Versen 19-22 tritt die Bedrohung zu Tage, in der der Beter steckt. Feinde, Frevler bedrohen ihn. Es sind Menschen, die Gottes Namen missbrauchen. Er bittet Gott, ihn von ihnen zu befreien, sie zu töten. Doch er überlässt die Bestrafung Gott.
  Im Stundengebet werden diese Verse ausgelassen, was ich sehr schade finde. Denn erst nach diesen Versen ist die letzte Bitte in voller Tiefe zu verstehen. Im letzten Vers bittet der Beter Gott zu schauen, ob er selbst auf dem rechten Weg ist.
  Welche Empfindungen habe ich, wenn ich den Psalm bete? Freude und Dankbarkeit oder eher Angst?
  Gott geht mit uns – mit mir
  Zu Weihnachten haben wir den Beginn dieses Weges, den Gott in Jesus mit uns geht, gefeiert. Gott geht mit uns, als ein Mensch, der unser ganzes Leben von der Geburt bis zum Tod mit uns teilt. In der Fastenzeit und zu Ostern feiern wir den weiteren Lebensweg Jesu.
  Keine Zeit und keine Situation meines Lebens ist von diesem Mitgehen ausgeschlossen. Das gilt für die Zeiten der Freude und des Glücks, aber auch für die der Trauer, der Angst, des Verlustes, der Krankheit und des Todes.
Wenn Gott in all diesen Situationen mit uns, mit mir geht, dann bin ich vielleicht allein, aber einsam muss ich deswegen nicht sein. Das bestätigen mir immer wieder ältere Kolleginnen. Sie erzählen, dass sie schon seit Jahren allein leben, meist auch nur in größeren Abständen zum Einkaufen gefahren werden. Der „Lockdown“ verändert ihren Tagesablauf nur wenig. Sie freuen sich über alle Begegnungen, die möglich sind und sind dankbar für ihr Leben, wie es ist.
  Gott rechnet mit uns – mit mir
  Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen sich nicht nur ältere Menschen. Einschränkungen von außen oder innen verändern oft den gewohnten Alltag und lassen uns manches überdenken. Da kann dann schon die Frage auftauchen – was hat mein Leben (noch) für einen Sinn, kann mein Leben in dieser Situation noch einen Sinn haben? Habe ich noch eine Aufgabe, auch wenn ich vielleicht nicht mehr viel tun kann?
  Die Diskussion über die Sterbehilfe hat diese Frage erst vor kurzem wieder in das Bewusstsein geholt. Solange es uns gut geht beantworten wir die Frage nach dem Wert des Lebens recht schnell und leicht. Aber wer schon einmal einen Kranken oder Sterbenden begleitet hat, weiß wie schwer diese Frage im einzelnen und vom Einzelnen zu beantworten ist.
  Unser Glaube, dass jeder Mensch in den Augen Gottes wertvoll und wichtig ist, kann auch eine Hilfe sein, die Frage nach dem Sinn meines Lebens, in der momentanen Situation, für mich, zu beantworten.
  Das Leben von uns, von mir gibt dann Zeugnis für den lebendigen, liebenden Gott. Ich bin es dann, die andere achtet, wertschätzt, liebt. Gott traut mir diese Aufgabe zu, er rechnet damit, dass ich heute, in meiner Umgebung, seine Liebe und Wertschätzung aufscheinen lasse.
  Susanne Kopeszki (RB der BG/PHH der ED Wien 1/2021)